#6 - Die Hauptrolle in deinem Leben

In der heutigen Folge geht es um eine Perspektive, die so manchem vielleicht hilft, der oder die mit ihrem Platz in der Welt und ihrem Selbstwert manchmal Probleme hat und an diesem zweifelt. Rund um Feiertage treffen viele von uns wieder mit Menschen zusammen, die ihre Kindheit geprägt haben: Verwandte, nicht nur Eltern und Geschwister, sondern auch Tanten, Onkel, Großeltern, Cousinen und Cousins - Feiertage wie Weihnachten oder Ostern bieten oft die Gelegenheit, Menschen wiederzusehen, die wir schon lange nicht mehr getroffen haben. Und so schön das auch (hoffentlich) sein kann, so werden die meisten von uns merken, dass sie ganz automatisch bestimmte Rollen bekleiden, die sie damals in der Kindheit auch in diesem Kontext bekleidet haben. Erwachsene benehmen sich plötzlich wieder wie Kinder, und umgekehrt geben Eltern ihren (mittlerweile aber schon Erwachsenen) Kindern die gleichen Ratschläge oder Anweisungen, wie sie es schon vor Jahren getan haben - nur, dass diese Art der Kommunikation mittlerweile eigentlich nicht mehr angebracht ist. Ungelöste Konflikte in großen Familien, die aufgrund der räumlichen Trennung im Erwachsenenalter nie so wirklich aufgearbeitet wurden, tauchen wieder auf und ein eigentlich fröhliches Aufeinandertreffen kann sich schnell zu einem Familiendrama entwickeln, das sich selbst wiederholt. Egal, wie wir unsere Kindheit empfunden haben, jeder von uns kann sich sicher auch an Situationen erinnern, in denen er oder sie lieber eine andere Rolle gespielt hätte als jene, die er nun (wieder) bekleiden muss. Doch genau solche Anlässe können uns andererseits auch daran erinnern, wer die wirkliche Hauptperson in unser aller Leben ist - nämlich wir selbst. Gerade dadurch, dass wir in alte Muster und Rollen verfallen, können wir für uns selbst herausfinden, wie sich diese Rolle für uns anfühlt und uns neu orientieren und fragen, was WIR eigentlich wirklich möchten.

Auch wenn es durchaus unangenehm sein kann, plötzlich wieder ein Kind zu sein und auch so behandelt zu werden, so bietet es uns die Gelegenheit, darüber zu reflektieren, wer wir damals waren und was uns an unserer damaligen Rolle gefallen hat und was nicht. Weiters können wir uns dann fragen, wie wir selbst eigentlich unser Leben wirklich gestalten möchten, wenn wir keine Erwartungen von außen spüren würden. Als Kinder haben wir keine andere Möglichkeit und lernen, uns jeder Situation anzupassen, um überleben zu können. Wenn wir in einer glücklichen Familie aufwachsen, bekommen wir so wahrscheinlich auch früh vermittelt, dass wir unsere eigenen Wege gehen und Erfahrungen sammeln sollen. Es gibt aber auch viele Familien, in denen sich Kinder dem Willen, den Interessen und im schlimmsten Fall sogar der Willkür der Erwachsenen unterwerfen müssen. Erst in der Pubertät mit Beginn unserer rebellischen Phase beginnen wir uns davon zu lösen und zu verabschieden - jedoch tragen wir die Erfahrung und das Gefühl weiterhin in uns. Treffen wir dann auf bestimmte Konstellationen, fallen wir völlig unwillkürlich wieder in genau diese Muster zurück, die wir eigentlich nicht wollten und gegen die wir rebelliert haben, jedoch heute aus “Reife” auf den Konflikt verzichten. Und auch wenn das (eigentlich) nicht in Ordnung ist, kann ich auch jeden aus ganzem Herzen verstehen, der dabei Skrupel hat, die Menschen vor den Kopf zu stoßen, die ihm/ihr vieles ermöglicht haben und sich deshalb lieber ein Wochenende unterordnet, um den Familienfrieden nicht zu gefährden.

Diese Situationen sind schwierig, doch sie gehen vorbei und wir können uns deshalb umso mehr Gedanken darüber machen, was wir selbst eigentlich möchten, wenn wir wieder aus dieser Rolle austreten können. Denn anders als in unseren (Klein-)Kindertagen, können wir heute verstehen, dass unsere Familien nicht die Zentren unseres Universums sein müssen und wir genau jene Rolle bekleiden können, die wir uns für unseren eigenen Weg und unsere eigene Geschichte vorstellen. Als Kinder dreht sich (viel) um unsere engsten Bezugspersonen, da von ihnen unser Überleben abhängt. Doch das stimmt heute nicht mehr und außerdem dürfen wir uns ebenfalls vor Augen führen, dass wir unsere Eltern nicht selbst ausgesucht haben. Natürlich können wir sie trotzdem lieben, genau so wie sie sind - doch WIR sind die Hauptcharaktere unseres Lebens und dabei niemandem Rechenschaft schuldig oder müssen den Vorstellungen anderer entsprechen.

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#5 - Mood follows action