#3 - Thoughts are not facts

Nachdem die letzte Episode ein bisschen einen Einblick gegeben hat, was Glaubenssätze überhaupt sind, wie sie entstehen und wie sie unser Leben beeinflussen können, möchte ich nun darauf eingehen, wie man mit seinen eigenen (limitierenden) Glaubenssätzen arbeiten kann. Im Optimalfall steht am Ende dieses Prozesses ein erfülltes, befreites Leben, welches durch keine Altlasten mehr beeinflusst wird und in dem wir zu unserem authentischen Selbst gefunden haben und zu uns stehen - in jeder Situation unseres Lebens.Wie lange dieser Prozess dauert bzw. ob ein solches Ziel überhaupt realistisch ist, werde ich sicher an anderer Stelle noch einmal behandeln, doch heute soll es darum gehen, wie die Arbeit mit unseren Glaubenssätzen beginnen kann.

Dabei geht es zunächst einmal darum, überhaupt zu erforschen, welche Glaubenssätze wir in uns tragen und was wir über uns selbst denken. Dieser Schritt erfordert viel Reflexion und Zeit und fällt sicher mit einem Gegenüber, welches unsere Gedanken spiegelt, um einiges leichter. Eine Psychotherapie kann hier enorm hilfreich sein, weil wir mit einer unvoreingenommenen, neutralen Person sprechen, zu der wir zu 100% ehrlich sein können. Leider neigen viele Menschen auch heute noch dazu, sich erst professionelle Hilfe zu holen, wenn es bereits an allen Ecken und Enden brennt, auch weil in Therapie zu gehen nach wie vor mit einem völlig unbegründeten und überflüssigen Stigma behaftet ist. Sich selbst besser kennen zu lernen, sollte uns nicht nur dann ein Anliegen sein, wenn wir in seelische und emotionale Not geraten sondern kann gerade, wenn es uns gut geht, so viel mehr Lebensqualität bringen. Denn auch psychisch stabile und “gesunde” Menschen tragen oft Glaubenssätze in sich, die ihr Leben einschränken, sie klein halten und von ihrem authentischen Selbst fernhalten, auch wenn sie das vielleicht nicht einmal selbst bemerken.

Doch egal, aus welcher Ausgangslage du beginnst, dich mit deinen Glaubenssätzen auseinanderzusetzen: Ein guter Start kann sein, sich selbst persönliche Fragen zu stellen und dabei nicht nur die Antwort selbst, sondern auch das Gefühl zu beobachten, wie wir auf diese Frage reagieren. Was macht mich aus? Wer bin ich? Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Welche Bedürfnisse habe ich? Erfülle ich mir diese immer/werden sie von anderen erfüllt? Warum (nicht)?

Die Frage nach dem Warum und unser Bauchgefühl, wenn wir diese Frage stellen, bringt uns bereits besser in Kontakt mit unserem Unbewussten und je tiefer wir graben, desto eher kommen wir an einen Punkt, an dem wir einen Glaubenssatz identifizieren. Warum verhalten wir uns so, wie wir es tun? Erkennen und spüren wir unseren Wert? Was gibt uns einen Wert? Besonders auf die letzte Frage kann es viele verschiedene Antworten geben: Ich bin ein guter Freund/Ich bin fleißig/Ich bin … Und genau da gelangen wir an den Punkt, an dem wir einen Glaubenssatz identifiziert haben. Ich bin … Ein Satz, der so beginnt und tief mit unseren Überzeugungen über uns selbst verbunden ist, genau das ist ein Glaubenssatz. So weit, so gut. Aber was machen wir nun mit diesen Überzeugungen?

Besonders negative Glaubenssätze aufzuspüren und sich einzugestehen, was man an sich selbst nicht mag, was man ändern möchte und für was für einen Menschen man sich hält, wenn man sich so verhält, wie man es nicht mag, kann sehr aufwühlend und schwierig sein. Gib dir dabei die Zeit, die du brauchst, dieser Prozess ist ein Marathon, kein Sprint. Ich selbst bin im Zuge meiner Reflexionen darauf gekommen, dass ich mich nur für annehmbar hielt, wenn ich eine Leistung erbracht hatte oder irgendjemand anderen etwas Gutes getan hatte. Würde diese Möglichkeit wegfallen, so fühle ich mich auch heute noch “nicht genug”, als hätte ich weniger Recht, Bedürfnisse zu haben oder zu äußern. Es ist wichtig, bis zu diesem Punkt in der Reflexion zu kommen, denn sobald die Glaubenssätze wie “ich bin nicht (gut) genug” einmal identifiziert werden konnten, können wir immer besser nachvollziehen, warum wir so handeln, wie wir es tun. Dir wird immer mehr im Alltag auffallen, wie dich deine Glaubenssätze lenken und steuern und aus welchen Motiven du handelst. Aber müssen diese Glaubenssätze überhaupt zutreffen? Sind sie realistisch oder “wahr”? In den allermeisten Fällen wirst du diese Frage mit nein beantworten - doch warum sind wir dann so überzeugt von den Dingen, die wir über uns selbst glauben? An diesem Punkt dürfen wir uns an den Inhalt meiner vorigen Podcastfolge erinnern und beginnen, zu ergründen, warum wir fühlen, was wir fühlen. Wie alt fühlt sich dieses Gefühl an? Können wir es irgendeiner Erinnerung zuordnen? Was ist damals passiert und wie würden wir die gleiche Situation heute bewerten? Wahrscheinlich ziemlich anders als wir es damals taten - und das ist gut so. Denn genau auf diese Art und Weise treten wir in Kontakt mit unserem kleineren, früheren Ich und können es verstehen, weil wir sein Gefühl ja immer noch in uns tragen. Gleichzeitig können wir mit unserer heutigen Perspektive aber auch die Gesamtsituation besser verstehen und unserem früheren Selbst erklären, was es damals noch nicht zu verstehen in der Lage gewesen ist.

Wenn es sich nicht geliebt fühlte, weil seine Eltern es nie von der Schule abgeholt haben, können wir es trösten und in den Arm nehmen. Wenn es weint, weil es von einem guten Freund enttäuscht wurde, können wir es beruhigen und ihm gut zureden. Kurz gesagt, wir können unsere erwachsenen Anteile und inneren Ressourcen nutzen, um alte Wunden, die unser inneres Kind davon getragen hat, zu heilen und damit selbst ein Stück heiler werden - da eben die Glaubenssätze, die uns heute noch beeinflussen, nichts mit der Gegenwart zu tun haben, sondern eigentlich unverarbeitete Wunden sind, die unser inneres Kind immer noch ertragen muss.

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#2 - Glaubenssätze, Introjekte und wie sie entstehen