Spaß - ein unterschätzter Trainingsparameter
Es gibt unzählige gute Gründe, warum man gerne Sport macht: Für die einen ist es eine Möglichkeit, sich fit und gesund zu halten oder um abzunehmen, nicht umsonst empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens 150 Minuten moderate Aktivität und 2 Krafttrainingseinheiten pro Woche. Ein solches Sportpensum kann maßgeblich dazu beitragen, dass wir gesund und glücklich alt werden können und so lange wie möglich ohne Beschwerden uneingeschränkt selbst unser Leben gestalten können. Außerdem kann es Menschen helfen, ihren Körper so zu formen, wie sie es gerne hätten und schlank und austrainiert auszusehen. Für andere Menschen kann Sport eine Möglichkeit sein, Freunde zu treffen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und für sie steht der soziale Aspekt im Vordergrund. Spitzenathleten verdienen mit Sport ihr Geld, zu trainieren ist demnach ihr Job, dem sie täglich nachgehen und ihr Trainingsplan ihr persönlicher Dienstplan. “Normal” arbeitende Menschen hingegen schätzen Sport vor allem als Ausgleich, und zwar nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist, oder sie nutzen den Sport, um sich selbst herauszufordern und Ziele zu setzen.
Für mich ist Sport eine Leidenschaft und auch wenn er keine “körperlichen” bzw. äußerlichen Vorzüge bringen würde, so würde ich ihn dennoch lieben, für das, was er für meinen Kopf tut. Und auch wenn ich keinen Fortschritt oder Verbesserungen meiner athletischen Leistungen sehen würde, wäre das für mich kein Grund, nicht zu trainieren. Dennoch sind genau diese Dinge natürlich für jeden sportlichen Menschen auch von Interesse. Wer findet es nicht erfüllend, seine Fortschritte zu sehen und die Früchte seines Trainings in Form neuer Bestleistungen oder einem besseren Körpergefühl zu ernten? Genau aus diesem Grund erfreut sich auch die Trainingswissenschaft einem großen Interesse, und zwar nicht nur bei jenen Menschen, die durch ihre sportliche Leistung Geld verdienen (müssen). Grundsätzlich funktionieren ja alle menschlichen Körper ähnlich und die Methoden und Ansätze, die den Profis weiterhelfen, sind adaptiert an das Leistungsniveau natürlich auch im Breitensport gültig. Im großen, weiten Internet wimmelt es nur so von Trainingstipps, Ernährungsratgebern und Plänen, die den schnellstmöglichen Erfolg versprechen, wenn man ihnen nur konsequent folgt. Eigentlich ist es verrückt, welch absurde Leitlinien manche Menschen befolgen, nur um sich selbst in einer körperlichen Art und Weise zu verwirklichen - doch das ist eben die Leidenschaft, von der ich gesprochen habe und die ich sehr gut nachvollziehen kann. Was mir allerdings unter all den Ratschlägen zu Fitness, Körperformung und Leistungssteigerung fehlt, ist eine etwas langfristigere und ganzheitlichere Sichtweise.
Natürlich fokussieren sich Trainingspläne auf ein bestimmtes Ziel, zB einen Wettkampf oder einen anderen, persönlichen Meilenstein, den man erreichen möchte. Doch danach enden sie und lassen nach Tag X, Gewicht Y oder Leistung Z die ambitionierten Freizeitsportler orientierungslos zurück. Jeder noch so extreme Plan wird deswegen Erfolg haben, weil die Menschen für eine bestimmte Zeit bereit sind, alles zu geben und für ihr Ziel über ihre Grenzen zu gehen - bis dieses Ziel eben erreicht ist. Leider müssen dann aber auch viele Menschen erleben, was im Profisport unter dem Begriff “Post-Olympic-Blues/Depression” bekannt ist. Ohne konkretes Ziel am Horizont fallen sie in ein tiefes Motivationsloch, und der Sport, der ihnen bis dahin noch so viel Freude gemacht hat, ist plötzlich nicht mehr so aufregend wie er einmal war. Bei Diäten wird ein “Jojo-Effekt” beobachtet, weil die meist viel zu restriktive Diät beendet wird und zurück zu alten Mustern gekehrt wird - was wenig überraschend auch zurück zum alten Gewicht bedeutet. Also müssen neue Ziele her, die aber auch nur eine bestimmte Zeit lang attraktiv bleiben, bis man sie entweder erreicht oder die Motivation für das zeitweise doch harte Training fehlt. In solch einem Kreislauf festzustecken ist nicht nur frustrierend, sondern auch wenig nachhaltig für die körperliche und mentale Gesundheit. Ein nachhaltiger, langfristiger Ansatz und Umgang mit Sport und Ernährung sollte nicht so extrem sein, dass er enorm viel Disziplin braucht und deshalb über kurz oder lang scheitert. Was könnte man also anders machen, um das ganze Unterfangen besser zu gestalten?
Ein Trainingsfaktor neben der optimalen Frequenz, Dauer und Intensität des Trainings wird oft bei der Trainingsplanerstellung ausgespart, was in meinen Augen ein Riesenfehler ist, nämlich der Spaß. Ein Training, das keinen Spaß macht, dient nur als Mittel zum Zweck, als notwendiges Übel, um die Ziele, die man sich gesteckt hat, zu erreichen. Aber Sport sollte so viel mehr sein als Mittel zum Zweck, und er kann auch viel mehr sein als das. Ein guter Autor schreibt nur deshalb gute Bücher, weil er den Prozess des Schreibens liebt, und nicht, weil er gerne fertig geschriebene Bücher in der Hand hält. Sicher kann ihn das an schwereren Tagen auch motivieren und als Ansporn dienen, doch in erster Linie schreibt der Autor, weil es ihm Spaß macht und wird auch die Rahmenbedingungen schaffen, um diesen Prozess so schön wie möglich zu gestalten. Und genau so sollten auch Freizeitsportler an ihren Trainingsplan herangehen. Jeder noch so effektive Leitfaden, um in kürzester Zeit in Form zu kommen, jeder noch so hilfreiche Tipp, wie man schneller an sein Ziel gelangt, ist wertlos, wenn er nicht befolgt wird, und zwar über eine längere Zeit. Ein Training, das NUR zielorientiert geplant wird und die Vorlieben und den Spaß der jeweiligen Person komplett ausklammert, kann diese zwar vielleicht ans Ziel führen, doch sie wird nach Erreichen desselben sicher nicht freiwillig noch länget diesen Plan befolgen - weil er einfach keinen Spaß macht. Im Training und auch in der Ernährung führen aber viele Wege zum Erfolg. Der eine ist vielleicht etwas schneller als der andere, doch in meinen Augen ist es doch viel wichtiger, den Prozess als solchen viel mehr wertzuschätzen und genießen zu können, als vielleicht ein paar Wochen früher in Topform zu kommen und deswegen aber nur Dinge tun zu müssen, die man eigentlich nicht mag. Es geht also wie so oft im Leben darum, herauszufinden, was für einen selbst funktioniert und was man wirklich genießt und mag. Denn dann tritt das Endziel schnell in den Hintergrund und der Weg selbst wir zum Ziel, und aus einem Mittel zum Zweck kann sich eine Leidenschaft entwickeln. Das ist nicht nur für ambitionierte Sportler mit großen Zielen wichtig, sondern vor allem auch für jene, die sich in erster Linie ihrer Gesundheit zuliebe bewegen und sich dabei aber oft überwinden müssen. Ihnen sei gesagt: Um die Vorteile des Sports zu bekommen, muss man nicht 150 Minuten in der Woche auf einem Laufband laufen und alleine Gewichte heben, wenn einem das keinen Spaß macht. Dieser Ansatz wird vielleicht einige Zeit gut gehen, aber viel Disziplin fordern und den Sport nicht unbedingt beliebter machen. Was aber, wenn sie das Laufband gegen eine flotte Wanderung in der Natur und das Krafttraining gegen einen Gruppenkurs mit Gleichgesinnten tauschen? Schnell werden diese Menschen merken, wie viel mehr Freude ihnen der Sport bereitet und wie viel eher sie auch in den Genuss von dessen gesundheitlichen Vorteilen kommen. Weil sie Spaß daran haben und langfristig dranbleiben, mit sich arbeiten anstatt gegen sich - und den Weg genießen, egal, ob das “Ziel” schon geschafft ist, oder noch in weiter Ferne liegt.