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“A man who has a goal will walk tirelessly until he reaches it. But a man who loves walking will walk forever - and way further than if he just loved the idea of achieving a goal.”

So oder so ähnlich könnte man die Kernaussage des kommenden Textes beschreiben. Diese Lebensweisheit gibt es in allen möglichen Versionen, sogar in der Bibel taucht sie auf - da in Form eines Fischers, der es vorzieht, den Moment zu leben, weil er das Angeln liebt, anstatt ein großes Schiff zu bauen, was ihm mehr Fische, mehr Einkommen und ein ruhiges Leben bringen könnte. Doch genau das hat er bereits und möchte es deswegen nicht eintauschen. Vielen wohlhabenden Menschen, die sich mit ihrem erwirtschafteten Geld zur Ruhe setzen können, geht es ähnlich - sie glaubten immer, dass das Geld sie glücklich machen würde, aber weil das nie der Fall ist, müssen sie immer noch mehr Reichtum anhäufen, was man bei vielen Reichen beobachten kann. Auch im Sport gibt es sogar bei Olympiasiegern das Phänomen der “post-olympic depression”. Sie kann alle Sportler - auch die Gewinner - betreffen, die jahrelang auf ein Ereignis hintrainieren und nach dem Wettkampf in ein tiefes Loch fallen. Wenn die Scheinwerfer ausgehen und das Großereignis nämlich vorüber ist, geht das Leben normal weiter und es hat sich nicht viel geändert - außer dass man vielleicht eine Medaille zu Hause liegen und einige Sponsorenverträge mehr hat. Aber langfristig glücklich machen auch diese Dinge nicht, was den meisten erst nach den Spielen schmerzhaft bewusst wird.

Man könnte noch viele weitere Beispiele finden, doch die Grundaussage bleibt dieselbe: Viele Dinge, die wir erreichen wollen, Ziele, von denen wir uns Glück und Zufriedenheit erhoffen - sein es in Sport, Beruf oder anderen Lebensbereichen - können uns enormen Antrieb verleihen und kurzfristig viele Entbehrungen in Kauf nehmen lassen. Wir haben schließlich ein Ziel vor Augen, für welches wir viel zu tun bereit sind. Allerdings geben wir uns dabei nicht selten der (unbewussten) Illusion hin, dass am Ende dieses Weges sich in unserem Leben schlagartig etwas ändern wird und wir zu einer andere Person würden. Für die allermeisten Menschen passiert jedoch das gerade Gegenteil und bis auf ein paar Erinnerungen an den Tag X, an dem wir endlich unser so lang ersehntes Ereignis erreicht haben, bleibt nicht viel übrig.

Ist es deshalb schlecht, sich Dinge vorzunehmen oder ambitionierte Ziele zu setzen? Natürlich nicht - wir brauchen Ziele, die uns begeistern und motivieren, allerdings sollten wir uns dabei die Frage stellen, ob wir denn auch den Prozess dorthin genießen werden. Ein Ziel nur wegen des Ergebnisses zu verfolgen und dabei jeden Tag Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht wollen, jedoch unserem Ziel unterordnen, ist hierbei der falsche Ansatz - sowohl beruflich, als auch im Training. Natürlich wünscht sich fast jeder einen gesunden und gutaussehenden Körper, physische Fitness oder eine Gehaltserhöhung oder Beförderung. Doch unsere Beweggründe sollten über diese einmaligen Ereignisse hinausgehen. Es ist logisch normal, dass man nicht jeden Tag gerne die manchmal langweilig erscheinenden Arbeiten oder Trainings erledigt und ein schlechter Tag gehört hier und da dazu. Doch im Allgemeinen sollten wir danach streben, unser Leben im jetzigen Moment so zu gestalten, wie wir es gerne hätten und wie es zu uns und unseren Bedürfnissen passt. Es ist auch okay, wenn das nicht sofort möglich ist, denn viele Jobs benötigen eine Qualifikation, die wir erst erwerben müssen und eine gewisse Erfahrung, bis wir vielleicht alles auch wirklich so tun können, wie wir es uns vorstellen. Auch das dürfen wir akzeptieren, ohne ungeduldig zu werden und dranbleiben, damit wir ein Leben erschaffen können, das sich für uns zu leben lohnt. Dabei ist es ganz selbstverständlich, dass man manchmal auch in Kauf nehmen muss, dass es etwas länger dauert, bis man wirklich dort - in dem Prozess - angekommen ist, der einem vorschwebt. Genau wie wir im Training manchmal zähere Zeiten durchhalten müssen oder bestimmte Phasen, in denen nicht viel Aufregendes passiert, aussitzen müssen, um dann später die Früchte unserer Arbeit ernten zu können. Das braucht Geduld und ist ein langfristiges Unterfangen - doch Disziplin und Durchhaltevermögen zahlt sich auch hier aus.

Ich denke, jeder Mensch hat gerne ein Ziel vor Augen, dem er nacheifert - sei es auf beruflicher, sportlicher oder privater Ebene. Es muss dabei nicht ein bestimmtes Ereignis oder ein Tag X sein, von dem wir träumen, sondern es kann auch langfristiger sein, wie kommende Eltern, die sich ein Kind wünschen oder ein Job, den man anstrebt. Auch ein gewisses Trainingsziel kann man - außer es handelt sich um einen einmaligen Wettkampf - in den seltensten Fällen ohne Aufwand einfach aufrecht erhalten, auch das erfordert Disziplin. Doch egal, welches Ziel wir verfolgen, solange wir diesem jeden Tag einen Schritt näher kommen, dürfen wir jeden Schritt des Weges schätzen lernen. Schließlich würde jeder, wenn es wirklich so einfach wäre, gerne morgen durchtrainiert aussehen oder eine gut dotierte Stelle seines Traumjobs annehmen. Aber auch wenn wir Dinge tun, die vermeintlich nichts mit unserem (End-)Ziel zu tun haben, können wir eine positive Perspektive wählen und jede Aktivität als Schritte sehen, die uns weiter- und unserem Ziel näherbringen. So mag ein Nebenjob vielleicht kaum einen Zusammenhang mit dem späteren Beruf haben, doch der Verdienst ist es, der es uns ermöglicht, jenes Fach zu studieren, was uns letzten Endes einen solchen Job bekleiden lassen wird. Und bis das der Fall ist, dürfen wir auch den Prozess dorthin genießen - schließlich tun wir ja genau das, was wir wollen - nämlich auf ein Ziel hinarbeiten, welches uns begeistert.

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Spaß - ein unterschätzter Trainingsparameter