Vergleiche stehlen deine Freude
Heute soll es um Vergleiche gehen, jene oft unbewussten, beinahe übersehenen kleinen Gedanken, die für eine Millisekunde durch unser Gehirn rasen oder aber sich schmerzhaft in unser Bewusstsein ausdehnen, unseren Kopf zum Zerplatzen bringen und nächtelang nicht schlafen lassen. Selten bringen uns Vergleiche mit unseren Mitmenschen weiter, weswegen ich diesem Thema auch einen Blogeintrag widmen möchte, weil auch ich immer wieder mit ihnen zu kämpfen habe.
“Comparison is the thief of joy.”
So lautet das “berühmte” Zitat im Englischen, und ich kann ihm sehr viel abgewinnen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten bzw. Ebenen, auf denen wir uns vergleichen können, sei es unser Aussehen, unser beruflicher, akademischer oder schulischer Erfolg, unsere sportlichen Leistungen oder andere Fähigkeiten, die wir besitzen. Ich bin in allen diesen Bereichen schuldig des Vergleichens geworden, und dabei habe ich meistens nicht sehr gut abgeschnitten. Den meisten, die diesen Artikel lesen, wird es ähnlich gehen. Besonders in Zeiten der sozialen Medien, in denen Vorbilder und Idole nur einen Fingerstreich entfernt uns an ihrem Leben teilhaben lassen, fällt es auch schwer, sich einer gewissen Konkurrenz zu entziehen. Unweigerlich vergleicht man sich schnell mit anderen Menschen und zwar bevorzugt jenen, die in der Welt des World Wide Web am meisten Aufmerksamkeit bekommen. Und genau das ist das Problem, denn diese Menschen sind in aller Regel Ausnahmeerscheinungen, ein verschwindend geringer Bruchteil der Menschheit, die aufgrund von natürlich viel Arbeit und ehrlichen Bemühungen, oft aber auch günstigen Voraussetzungen und einer gesunden Portion Glück jenen Status erreicht haben, den wir uns wünschen. Es ist unbestritten, dass die meisten erfolgreichen Unternehmer, Spitzensportler und Professoren auch viel investieren mussten, um an den Punkt zu gelangen, an dem sie heute sind und angefangen haben die meisten auch als “gewöhnliche” Menschen, weshalb sie (wenn an ihnen ein Motivationscoach verloren gegangen ist) auch propagieren, dass es “jeder schaffen kann”, wenn er oder sie nur leistungsbereit genug ist.
Wir vergleichen uns also mit den Besten auf ihren Gebieten und bekommen von anderen gesagt, es liege an uns, unsere Träume wahr zu machen. Ich weiß nicht, wie es anderen bei diesen Gedanken geht, aber mich kann das an manchen Tagen schon ziemlich unter Druck setzen und ich beginne, heftig an mir zu zweifeln. Warum bin ich noch nicht weiter mit meinem Studium? Warum habe ich in der letzten Prüfung nicht die Bestnote geschrieben? Müsste ich nicht nur mehr trainieren, um meine sportlichen Ziele zu erreichen? Kann ich wirklich von mir behaupten, mein Bestes zu geben, wenn meine Ergebnisse das nicht widerzuspiegeln scheinen?
Ich denke, dass diese Gedanken durchaus legitim und naheliegend sind, wenn man immer nur zu sehen und zu hören bekommt, dass sich “harte Arbeit” auszahlt - und bis zu einem gewissen Grad stimmt das ja auch sicher. Und trotzdem bringen uns diese Vergleiche nicht weiter und sind obendrein noch zutiefst unfair. Natürlich haben viele von uns auf dem Papier die gleichen Ausgangsbedingungen, aber was von außen sichtbar ist, erzählt eben nicht die ganze Geschichte. Nehmen wir Sport als ein Beispiel: Um es an die Spitze eines bestimmten Sports zu schaffen, bedarf es viel Training, Geduld und Ausdauer, das ist unbestritten. Den Willen, diese Zeit und Arbeit zu investieren, den kann man mitbringen und das ist auch das, zu was uns motivierende Persönlichkeiten auffordern - keine Ausreden zu suchen, sondern an uns zu arbeiten, uns zu verbessern. Aber trotzdem hat jeder Mensch andere körperliche und mentale Kapazitäten, die einen unterschiedlichen In- und Output ermöglichen. Rein physiologisch gesehen haben unsere Gene einen großen Einfluss auf unsere körperliche Leistungsfähigkeit. Aber auch in Sportarten, die weniger körperbetont sind und mehr Geschicklichkeit oder Strategie beinhalten, spielt unsere Veranlagung - unser Talent - eine große Rolle.
Auch in der Welt der Unternehmer braucht es mehr als eine gute Idee und den Biss, lange und hart genug zu arbeiten, um sich ein Vermögen aufzubauen. Natürlich sind das unerlässliche Komponenten, doch jeder Millionär, der behauptet, alleine durch Bemühen und Durchhalten sein Unternehmen aufgebaut zu haben, unterschlägt, dabei auch das Glück gehabt zu haben, zur rechten Zeit und am rechten Ort die passende Idee gehabt zu haben, auf deren Basis er sein Geschäftsmodell entwickeln konnte. Von den richtigen Mitarbeitern, Geldgebern und Rahmenbedingungen einmal ganz zu schweigen.
Am Eindrücklichsten finde ich aber das Beispiel unseres Aussehens. Vermutlich fast jeder und jede würde an sich Dinge finden, die er oder sie gerne verändern könnte. Schönheitsoperationen, Nasenkorrekturen, Brustvergrößerungen und eine Menge anderer kosmetischer Eingriffe, von denen ich gar nichts wissen möchte, werden auch von der breiten Bevölkerung immer mehr in Anspruch genommen. Auf Instagram verwenden Jugendliche alle möglichen Filter und Fotoshop, um eine Version von sich zu zeigen, mit der sie zufrieden sind, weil sie - auch im Vergleich zu anderen - “schön” ist.
Alle diese Szenarien haben eines gemeinsam: Wir fühlen uns nicht gut genug, so, wie wir sind. Also unternehmen wir alles mögliche, um uns mit uns selbst besser zu fühlen, was manchmal von Erfolg gekrönt ist, meistens jedoch nicht. Wie viele Unternehmer sind “zufrieden”, wenn sie einmal X Angestellte haben und Y € an Geld verdient haben? Wie viele ambitionierte Sportler sind zufrieden, wenn sie nicht mehr am Ende, sondern in der Mitte der Rangliste angelangt sind? Und bei wie vielen Menschen bleibt es nach dem ersten chirurgischen Eingriff auch dabei, weil sie sich nun “vollständig” fühlen? Vermutlich bei einer verschwindend geringen Minderheit, und das ist ganz normal. Wenn wir uns erst einmal an gewisse Rahmenbedingungen gewöhnt haben, fangen die Vergleiche wieder an, und bis wir nicht “perfekt” sind, werden diese auch nicht aufhören. Aber was, wenn wir aus diesem Hamsterrad aussteigen könnten? Was, wenn wir - anstatt im Außen nach immer mehr Anerkennung, Leistung und positiver Rückmeldung zu streben, stattdessen diese Energie darin investieren, uns zu akzeptieren?
Es ist nicht schlecht, nach Erfolg zu streben oder mit Leidenschaft und Biss an einem Ziel zu arbeiten, das wir auf beruflicher, persönlicher, sportlicher Ebene erreichen möchten. Im Gegenteil, dieser Prozess kann auch sehr erfüllend sein und uns sehr viel über uns selbst lehren, wie wir mit schwierigen Situationen umgehen und wie wir reagieren, wenn wir auf Widerstände stoßen. Aber es ist wichtig, dabei zu verstehen, dass unser Wert nicht von den Ergebnissen abhängt, die wir erzielen. Jeder Mensch ist - egal, an welchem Punkt er in seinem Leben steht und egal, wie viel er schon erreicht hat oder noch erreichen wird - genau richtig, so wie er ist. Wir müssen uns nicht “verbessern”, um zu genügen. Wir müssen nichts erreichen, um unseren Wert unter Beweis zu stellen. Und wir müssen uns deswegen auch mit niemandem vergleichen. Denn egal wie “fair” wir versuchen, dies zu tun, jeder Mensch ist höchst individuell und deswegen werden Vergleiche immer hinken. Wir können und dürfen selbst für uns definieren und herausfinden, was Erfolg für uns bedeutet und müssen dabei keinen gesamtgesellschaftlichen Maßstab anlegen. Für manche Menschen ist es ein Erfolg, einen Marathon in einer bestimmten Zeit zu laufen, für andere wiederum, überhaupt sich zum Laufen gehen zu motivieren. Aber sind letztere deswegen in irgendeiner Form “schlechter” oder haben weniger erreicht? Nein, nein und nochmals nein! Die Herausforderungen, die Überwindung und Disziplin auf mentaler und körperlicher Ebene ist bei beiden Gruppen dieselbe - nur mit anderen Voraussetzungen. Und was anhand eines sportlichen Zieles so leicht und verständlich zu illustrieren ist, gilt auch für alle anderen Bereiche im Leben.
Du musst dich nicht verändern, verbessern, verbiegen oder verstellen. Du bist jetzt und in diesem Moment wertvoll, genauso wie du bist und auch weil du so bist und eben nicht anders.
Es ist schön, wenn du eine Leidenschaft hast, bei der du dir Ziele stecken möchtest und den Ehrgeiz. entwickelst, diese zu erreichen, aber egal ob du das schaffst, es bleiben lässt und egal wie diese Ziele für dich individuell aussehen, sie ändern NICHTS an deinem Wert als Menschen.
Wir sind nicht geboren, um Unternehmer, Sportler oder Schönheitsmodelle zu verkörpern. Wir sind geboren, um wir selbst zu sein - also hören wir auf, das, was uns ausmacht, als minderwertig zu empfinden und ändern zu wollen. Und hören wir auf, uns zu vergleichen - denn das raubt uns nur unsere Freude am Leben und an dem, was wir haben.