Der “Beste” sein

Ob im Sport, im Beruf, in der Ausbildung oder anderen Bereichen des Lebens: alle Menschen haben Vorbilder, Persönlichkeiten, denen sie nacheifern und zu denen sie aufschauen. Meistens sind dies die Besten ihres Fachs - Fußballstars, Millionäre oder gar Milliardäre, Elite-Uni-Professoren, Astronauten, Machthaber und in anderen Bereichen erfolgreiche Menschen. Nur zu gerne wären viele Menschen - mich eingeschlossen - etwas mehr wie Person X und hätten auch nur annähernd den Erfolg. Nicht zuletzt deswegen versuchen auch viele Menschen, das “Geheimnis” herauszufinden, welches ihren Idolen zum Aufstieg verholfen hat. Diese Morgenroutine, jene Methode, um produktiver zu sein, Kommunikationstrainings und Diäten aller Art - jedes Mittel ist uns recht, uns etwas mehr wie unsere Vorbilder zu fühlen. Und im Alltag müssen unsere Peers als Vergleichsobjekte herhalten: Wer im Büro ist der produktivste Mitarbeiter? Welcher Spieler des Teams der Beste? Welcher Schüler schreibt die besten Noten? Ich möchte unsere Leistungsgesellschaft nicht grundsätzlich schlecht reden, denn ein gewisser Ehrgeiz und ein gewisses Maß an Konkurrenz kann auch anspornen. Der Treiber gesellschaftlicher, wissenschaftlicher und sportlicher Höchstleistungen ist der Ansporn, den uns ein Wettkampf gibt. Und ich finde, es ist nicht schädlich, nein sogar äußerst gesund und gut, nach höherem zu streben und sich in den Dingen, die man tut, verbessern zu wollen. Schließlich schafft dies auch Selbstvertrauen und trägt zu unserer Weiterentwicklung bei.

Doch die Ausmaße, die dieses Streben nach “mehr” annimmt, halte ich nicht mehr für gesund. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich so erzogen wurde, immer mein “Bestes” zu geben und deshalb besonders anfällig für Leistungsansprüche bin. Jedenfalls habe ich bereits in der Volksschule meine Noten und meine fußballerischen Fähigkeiten mit meinen Freunden verglichen. Als es dann aufs Gymnasium ging, wollte ich ebenfalls immer der Klassenbeste sein und hielt es nur schwer aus, wenn mich jemand überflügelte. Nicht, dass ich es den anderen nicht auch vergönnt hätte, aber ich wollte einfach immer der Beste sein. Zum Glück kam irgendwann der Punkt, an dem dies nicht mehr möglich war, weil es zu viele Vergleichsobjekte gegeben hätte, gegen die ich mich nie und nimmer hätte durchsetzen können. Also beschloss ich, einfach weiter mein Bestes zu geben, auch wenn der Anspruch, “der Beste” zu sein, immer noch irgendwo in meinem Unbewusstsein herumspukt. Ich glaube, dass es vielen Menschen so geht, die sich erst dann “gut genug” fühlen, wenn sie die Besten sind, da sie erst dann wirklich behaupten können, das “meiste” richtig gemacht zu haben. Mir geht es auch so, doch ich ärgere mich selbst darüber, weil es doch viel schöner wäre, wenn ich das, was ich schaffe und was ich trotz meiner “Fehler” für Möglichkeiten habe, mehr schätzen könnte. Es wäre auch viel leichter, mich mit anderen zu freuen und anstatt eines neidvollen “Gegeneinanders” könnte ich viel eher ein herzliches “Miteinander” leben. Und das ist auch einer, der Gründe, warum ich aufhöre(n möchte), danach zu streben, der Beste zu sein. Wir alle haben andere Voraussetzungen, weshalb Vergleiche nie fair sind und wenn immer nur die Besten ihres Fachs stolz sein dürften, dann gäbe es nur eine Handvoll wirklich glückliche Menschen auf der Welt.

Ich denke, es wäre doch viel schöner, danach zu streben, die beste Version seiner selbst zu werden, aber auch zu akzeptieren, dass man Grenzen hat. Das bedeutet nicht, dass man nicht davon träumen sollte, große Dinge zu erreichen, doch es nimmt ein wenig Druck von den eigenen Schultern, da diese Meilensteine nicht mehr ausschlaggebend für unseren (Selbst-)Wert sind. Ich möchte mein Bestes geben, doch was, wenn das nicht ausreicht, um in einem Bereich der “Beste” zu sein? Sollte ich mich deswegen verurteilen, obwohl ich alles mir mögliche getan habe, um zur besten Version meiner selbst zu werden? Ich denke nicht. Ich glaube, sich nur auf sich zu konzentrieren und sich herauszufordern, aber unabhängig vom Ergebnis mit sich selbst zufrieden und in innerer Harmonie leben zu können - das ist der Schlüssel. Natürlich wären wir vermutlich alle gerne ein bisschen mehr wie unsere Idole, würden gerne mehr leisten können und mehr Kapazitäten haben. Doch wir haben eben gänzlich andere Voraussetzungen und Umstände, die wir uns nicht aussuchen können. Aber das ist okay und wir müssen auch nicht die besten sein. So lange wir zu uns selbst stehen und unser bestes geben, ist das mehr als Grund genug, stolz zu sein.

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Abgrenzung Teil 1: Leistung