Ballaststoffe - ein unterschätzter Player in der Ernährung

Wenn von gesunder Ernährung oder auch Ernährung in Bodybuilding und anderen Sportarten die Rede ist, dreht sich meistens alles um Kalorien und die drei Makronährstoffe Protein, Kohlenhydrate und Fett. Während letztere beiden die primären Energiequellen für unseren Körper sind, fungiert Protein als Baustoff für unsere Muskeln und unzählige andere Teilchen, die in unserem Immunsystem, unserer Verdauung und unserem Zellstoffwechsel im Allgemeinen benötigt werden. Kohlenhydrate stellen die effizienteste und damit vor allem im sportlichen Kontext beste Energiequelle für unsere Muskeln dar, während Fette zu unserer hormonellen Gesundheit beitragen und vor allem die essentiellen Fette eine entscheidende Rolle für die Gefäßgesundheit (unter vielen anderen Funktionen übernehmen). Blickt man noch weiter über den Tellerrand hinaus, so werden vielleicht noch Vitamine und Mineralstoffe thematisiert, bei denen eine ausreichende Versorgung ebenfalls zu unserer allgemeinen Gesundheit und Leistungsfähigkeit beiträgt. Doch bereits hier beginnen viele Menschen schon Supplemente zu nutzen, um die Deckung ihres Bedarfs sicherzustellen und sich nicht zu viele Gedanken über ihre Ernährungsweise machen zu müssen. Dadurch - so der Irrglaube vieler - müssten sie auch nicht so viel Obst und Gemüse konsumieren, welches sie vielleicht nicht so gerne haben oder es bei der Fantasie, Zeit zum Zubereiten und Variation hapert. Es ist also kein Wunder, dass jener Nährstoff, um den es heute gehen soll, oft vernachlässigt wird. Ballaststoffe haben jedoch enorm viele positive Effekte auf unseren Körper, die aber noch oft unerkannt bzw. ungenutzt bleiben, was ich mit diesem Artikel ändern möchte.

Warum werden Ballaststoffe unterschätzt?

Ballaststoffe sind im Wesentlichen für unseren Körper nicht verwertbare und unverdauliche Kohlenhydrate mit einem limitierten Energiegehalt, der ungefähr bei der Hälfte der normalen Kohlenhydrate liegt. Die im Englischen unter dem Sammelbegriff “fiber” bekannten Nahrungsbestandteile sind im Wesentlichen genau das - nämlich Pflanzenfasern, die zB in der Zellwand pflanzlicher Zellen vorkommen und über eine beta-1,4-glykosidische Bindung verknüpfte Glukosemoleküle enthält. Die Einzelbausteine sind somit die gleichen wie bei Stärke und anderen Kohlenhydraten, doch die spezielle Verknüpfung kann von unseren körpereigenen Enzymen nicht aufgespalten werden. Deshalb verbleiben diese langen Fasern im Lumen unseres Darms und gelangen langsam in Richtung Ausgang, wo sie als Teil unseres Kots ausgeschieden werden. Lange ging man davon aus, dass sie deshalb unwichtig für den Menschen sind, was bei dieser Betrachtungsweise naheliegt - nicht einmal in Nährwerttabellen wurden und werden Ballaststoffe oft aufgeführt.

Man kann die Ballaststoffe weiters noch in zwei Subgruppen - die löslichen und unlöslichen - unterteilen (soluble und insoluble fiber). Erstere sind größtenteils in Haferflocken und diversen Gemüsesorten vertreten, während unlösliche Ballaststoffe vor allem bei Vollkorngetreide und harten Samenschalen anzutreffen sind. Sie unterscheiden sich, wie der Name schon vermuten lässt, in ihrer Wasserbindungskapazität: während die löslichen Ballaststoffe viel Wasser binden, so haben unlösliche die gegenteilige Eigenschaft und verdicken tendenziell den Stuhl. Eine gute Mischung aus beiden Formen wird in der heutigen Ernährungslehre empfohlen.

Was können Ballaststoffe?

Nachdem der Wert als energieliefernder Nährstoff nur sehr begrenzt ist und Ballaststoffe auch sonst keine metabolische Funktion erfüllen, muss ihr Wert in anderen Bereichen liegen, auf die ich nun etwas genauer eingehen möchte.

Zum einen ist da das in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erregende Darmmikrobiom. Damit bezeichnet man die Gesamtheit aller den Darm besiedelnden Bakterien, die in Symbiose mit und in uns leben und potenziell großen Einfluss auf unsere körperliche, aber auch mentale Gesundheit haben könnten. Was derzeit Gegenstand zahlreicher Studien ist, wird zB auch als die “Darm-Hirn-Achse” bezeichnet, also den Einfluss, den ein vielfältiges und gesundes Mikrobiom auf unser Gehirn haben könnte. Dass die verschiedenen Bakterienstämme mit unserer Gesundheit maßgeblich in Verbindung stehen, ist jedoch mittlerweile umfassend belegt. So wurden mit einer vorliegenden Dysbiose (Störung von Zusammensetzung und Größe des Darmmikrobioms) viele gesundheitliche Probleme in Zusammenhang gebracht. Ob diese nun ursächlich oder Auswirkung des dysregulierten Mikrobioms waren, ist noch nicht abschließend geklärt, doch definitiv kann davon ausgegangen werden, dass ein Zusammenhang besteht. Wenn man demnach ein gesundes Mikrobiom besitzt, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, an vielen Erkrankungen zu leiden. Und an diesem Punkt kommen die Ballaststoffe ins Spiel: auch wenn sie für den menschlichen Körper keinen wesentlichen Nährwert besitzen, so stellen sie für Bakterien in unserem Darm deren Hauptnahrungsquelle dar. Aus diesem Grund werden Ballaststoffe manchmal auch als “Probiotika” bezeichnet. Von den Bakterien werden sie in sogenannte SCFAs (short chain fatty acids) gespalten, die sie wiederum entweder als Energiequelle nutzen, die aber auch für den menschlichen Körper wieder von Vorteil sein können. Die Ballaststoffe in unserer Ernährung sind deshalb der wohl wichtigste Nährstoff für unsere Darmgesundheit und sollten alleine schon deswegen auf keinen Fall bei einer gesunden Ernährungsplanung unter den Teppich gekehrt werden.

Ein weiterer sehr vorteilhafter Effekt der Ballaststoffe ist deren Fähigkeit, Gallensäuren an sich zu binden. Normalerweise unterliegen diese dem sogenannten “entero-hepatischen Kreislauf” und werden, wenn sie den Verdauungstrakt durchlaufen haben und im Darm ihre Aufgabe in der Fettaufnahme erfüllt haben, wieder zurück zur Leber transportiert. Oft ist damit auch die Rückresorption von Cholesterin verbunden, was - bei einer zu hohen Konzentration im Blut - ja allgemein als der größte Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt ist. Hier haben Ballaststoffe eine beeindruckende Fähigkeit: neben Wasser sind sie nämlich auch in der Lage, eben dieses Cholesterin bzw. Gallensäuren und -salze zu binden und die Rückgewinnung im Darm zu unterbinden. Das führt im Anschluss zur Ausscheidung desselben und der Blutcholesterinspiegel wird auf natürliche Art und Weise gesenkt. Diese kaum bekannte aber sehr gesundheitlich vorteilhafte Eigenschaft besitzt besonders der Ballaststoff Beta-Glucan, der im Hafer enthalten ist. Ballaststoffe sorgen somit nicht nur für eine verbesserte Darmgesundheit, sondern können zusätzlich auch noch den Cholesterinspiegel senken.

Und auch die letzte Fähigkeit bzw. Eigenschaft der Ballaststoffe, die ich in diesem Artikel erwähnen möchte, ist nicht zu unterschätzen. Wie bereits erwähnt besitzen Ballaststoffe (zumindest die löslichen) die Fähigkeit, Wasser an sich zu binden. Dies hat nun zwei Effekte: Einerseits sorgen sie dadurch für ein gesundes, länger anhaltendes Sättigungsgefühl, da sie mehr Platz einnehmen und dem Körper signalisieren, dass im Moment keine Nahrungsaufnahme notwendig ist. Dies kann - besonders im Kontext von Diäten - eine sehr willkommene Eigenschaft sein, zumal Ballaststoffe zusätzlich eine niedrige Energiedichte aufweisen und dabei dennoch für eine gute Sättigung sorgen. Nicht zuletzt deshalb ist es empfehlenswert, bei einer kalorienreduzierten Ernährungsweise darauf zu achten, genügend Obst und vor allem Gemüse - die auch viele Ballaststoffe (größtenteils) enthalten - zu konsumieren. Zum anderen tragen die Ballaststoffe durch ihre Wasserbindungskapazität zu einem regelmäßigen Stuhlgang bei, was ebenfalls sehr zum Wohlbefinden der meisten Menschen beiträgt. Besonders die Kombination aus löslichen und unlöslichen Ballaststoffen sorgt hier dafür, dass der Körper genügend Möglichkeiten hat, die Wasserbindungskapazität zu nutzen, oder eben auch nicht - wodurch eine gute “Konsistenz” des Stuhls erzielt wird. Und auch, wenn diese Eigenschaft eher in die Sparte “Tabu-Thema” fällt, so bin ich fast sicher, dass die meisten Leser wissen, dass es durchaus für Unbehagen sorgen kann, wenn die Ausscheidung und Verdauung im Allgemeinen nicht so funktioniert, wie sie es sollte.

Fazit

Lange Zeit wurden Ballaststoffe enorm unterschätzt, da sie für unseren Körper unverdaulich sind und auch nur eine untergeordnete Rolle in der Energieversorgung des Körpers übernehmen. Doch mit zunehmend aufkommender Forschung in den Bereichen des Darmmikrobioms und Cholesterinhaushalts wird immer klarer, welch wertvolle Rolle Ballaststoffe in der Humanernährung spielen und weshalb sie zu Unrecht auch in Nährwerttabellen teilweise immer noch ausgeklammert werden. Wer sich nun fragt, welche Menge an Ballaststoffen pro Tag angemessen ist, dem möchte ich einen Richtwert von 10g/1000kcal aufgenommener Energiemenge ans Herz legen. Aber auch höhere Werte aus variierenden Quellen, die sowohl lösliche, als auch unlösliche Ballaststoffe liefern, können noch positive Effekte haben - allerdings nur bis zu einem bestimmten Grad. Denn zu viele Ballaststoffe können auch negative Auswirkungen haben, für Verstopfung sorgen oder die Mikronährstoffaufnahme beeinträchtigen. Wie viel also optimal ist, muss jeder für sich selbst herausfinden, wobei oben genannter Richtwert dafür ein guter Ausgangspunkt ist.

Mit diesem Artikel hoffe ich, ausreichend dargelegt zu haben, warum wir auch den unverdaulichen Anteil unserer Nahrung keineswegs unterschätzen sollten. Ich freue mich, wenn du bis hierhin gelesen hast und wünsche dir alles Gute dabei, dieses Wissen in deine eigene Ernährung zu implementieren! Alles Liebe, Jakob

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